Wein – Kunst oder Handwerk
Wein ? Kunst oder Handwerk, zu diesem höchst aktuellen Thema referierte Dipl. Ing. (FH) Gerd Knebel (Geschäftsführer des Weinbauverbandes Mosel ? Mittelrhein, Redakteur der Winzer ? Zeitschrift und selbst auch Winzer) im Weinkollegium in Boppard. Durch die Diskussion über die EU-Weinmarktreform (s.a. R-Z vom 04.07.07) hat das Thema eine Brisanz und Aktualität, welche die Verantwortlichen im Weinkollegium bei der Planung des Jahresprogramms noch nicht hatten ahnen können.
Anschaulich wurde die Ist-Situation mit dem Strukturwandel im Weinbau dargestellt: Seit 1970 hat sich die Rebfläche am Mittelrhein halbiert, die Zahl der Betriebe ist auf 1/7 geschrumpft. Ein weiteres Schrumpfen wäre fatal für unsere ganze Region, denn die Einzigartigkeit unserer Weinkulturlandschaft lässt sich nur erhalten, wenn die Winzer die Steillagen weiter bearbeiten und dies werden sie nur tun können, wenn sie ein angemessenes Einkommen damit erzielen. Die dafür notwendige Marketingstrategie kann nur heißen: Gehobene Qualität für Gastronomie, Weinfachhandel und Endverbraucher anzubieten, d.h. für die, die beim Winzer direkt kaufen. Zwar werden in Deutschland bereits mehr als 70% der Weine über Lebensmitteleinzelhandel, Verbrauchermärkte und Discounter abgesetzt, da bei diesen „Regalweinen“ aber i.d.R. die Beratung entfällt, sind größere Mengen bei gleichzeitiger Beschränkung auf weniger Sorten erforderlich, um die Kunden nicht zu sehr zu verwirren. Dort ist sicher der „Druck“ ausländischer Weine, die in Deutschland bereits einen Marktanteil von mehr als 50% haben, am größten.
Moderne önologische Verfahren, das stellte der Referent klar heraus, sind nicht grundsätzlich abzulehnen. Hier nennt er das Ausschönen von Fehlaromen, die Entfernung von Alkohol oder flüchtigen Säuren, die Anreicherung mit Saccharose oder die Säuerung mit Wein- und Apfelsäure. Die Zulässigkeit der önologischen Maßnahmen sollte sich an der „Qualitätspyramide“ orientieren, je höher die Qualität, desto defensiver die Ã?nologie. Wenn jedoch z.B. Fraktionierung, d.h. Zerlegung erfolgt zum Ziel der beliebigen Rekombination von Zucker, Alkohol, Farb- oder Aromastoffen, wenn mit Holzextrakten oder standardisierten Aromagemischen gearbeitet wird, dann ist der Schritt zum ‚künstlichenâ?? Wein, der ohne Verwendung von Trauben hergestellt würde, nicht mehr weit.
Weinerzeugung ist eine Kunst, bei der die Faktoren Lage, Boden, Klima, Rebsorte und Mensch zusammenwirken. Das Terroir Schiefersteillagen mit der Rebsorte Riesling bietet das Potenzial für große Weine. Die Orientierung an einer klaren Struktur der Qualitätspyramide in Abhängigkeit vom Terroir und die Herausstellung deutlicher, verbraucherorientierter Profile ist notwendig.
Der Steillagenweinbau erfordert einen drei- bis zehnfach höheren Arbeitsaufwand. Nur wenn beste Produkte erzeugt, wenn die höhere Wertigkeit der Steillagen-Rieslinge glaubwürdig vermittelt und dann auch angemessene Einkommen erzielt werden, wird diese Form weiter bestehen. Wenn der Weinbau im Einklang mit der Natur betrieben wird, wird der Winzer weiter „der beste Naturschützer“ sein und seltene Fauna und Flora erhalten.
Die Zuhörer dankten dem Referenten für seinen sachkundigen und anschaulichen Vortrag gerne mit Applaus.
Hans-Hermann Oehl